Traditionsgymnasien zu Schrumpfgymnasien?

Nach dem Gymnasium Rissen, dessen Räume die Schulbehörde erst vor kurzem gegen den Willen von Schulleitung, Lehrkräften und Eltern teilweise in eine Stadteilschule ("Außenstelle" der Stadtteilschule Blankenese) umgewandelt hat (siehe WWL-Info-Mails vom 9. Mai 2011 und 10. Mai 2011) macht sich Schulsenator Ties Rabe jetzt daran, die nächsten zwei Gymnasien zu beschädigen: Geht es nach den Plänen des Senators, sollen schon zum kommenden Halbjahr (Februar 2012) das Matthias-Claudius-Gymnasium (MCG) und das Charlotte-Paulsen-Gymnasium (CPG) ihre Oberstufen verlieren: Der Unterricht soll an diesen Gymnasien dann nur noch bis Klasse 10 erteilt werden. Anschließend sollen die Schülerinnen und Schüler in die einen Kilometer entfernten Schule "Am Eichtalpark" gehen, deren Räume als "Oberstufenzentrum" beider Gymnasium herhalten sollen.

Sowohl die Schulleitungen als auch die Lehrkräfte und Elternschaften beider Gymnasien sind entschieden gegen dieses Projekt, da es die pädagogischen Konzepte beider Gymnasien zerstören und durch das notwendige Pendeln von Lehrkräften auch die Jahrgangsstufen 5-10 in Mitleidenschaft ziehen würde:

Zwei Schulen befürchten "Zerstückelung"Hamburger Abendblatt v. 5.9.2011

Die von der Behörde vorgeschobenen baulichen Argumente sind unbegründet bzw. selbst verschuldet: Denn die seit Jahren beantragten Bauanträge für Anbauten hat die Behörde selbst schleppend behandelt und die ausstehenden Sanierungsarbeiten trotz zahlreicher Anträge von der Behörde nicht ausgeführt wurden. Das gegenüber dem Abendblatt von der Schulbehörde vorgeschobene Argument einer angeblichen Wirtschaftlichkeit des Modells ist zudem objektiv falsch: Denn die Schule am Eichtalpark ist in erster Linie eine Grundschule und deshalb schon baulich/räumlich für Oberstufenschüler gar nicht geeignet. Oberstufen-Fachräume und eine Mensa fehlen. D. h. schon allein der Umbau der Schule am Eichtalpark wäre mindestens ebenso teuer wie das längst überfällige Sanieren und Erweitern des CPG und des MCG. Zusätzliche Kosten würden durch Pendelzeiten von Lehrkräften entstehen.

Das Perfide des Vorhabens wird deutlich, wenn man sich klar macht, dass Olaf Scholz sich im Rahmen der Verhandlungen zum angeblichen "Schulfrieden" im Frühjahr 2010 und im Wahlkampf noch dafür stark gemacht hat, allen Stadtteilschulen eine eigene Oberstufe zu geben: Wenn jetzt gleichzeitig Gymnasien ihre Oberstufe und damit ihr Profil, ihr Gesicht, ihre Identität genommen wird, führt das mittelfristig zu einem Aussterben dieser Gymnasien, weil es viele Eltern geben wird, die ihre Kinder dann doch lieber auf einer Schule mit eigener Oberstufe anmelden werden.

Die Strategie von Schulsenator Rabe unterscheidet sich damit im Ergebnis nur marginal von den Plänen der Ex-GAL-Schulsenatorin Goetsch: Wollte Frau Goetsch den Gymnasien mit den Jahrgangsstufen 5 und 6 das Fundament (die Beine) abschlagen, setzt Rabe mit der Auslagerung der Jahrgangsstufen 11 und 12 gleich am Kopf an:

Aus Traditionsgymnasien werden so Schrumpfgymnasien – Schulfrieden sieht anders aus, Herr Senator!