G8/G9 – Faktencheck

Das Volksbegehren der Volksinitiative „G9-Jetzt-HH“ (www.g9-jetzt-hh.de) zur Einführung eines Wahlrechts zwischen 8-stufigem und 9-stufigem Gymnasium in Hamburg hat nicht die erforderliche Zahl von Unterschriften erhalten und ist damit nicht zustande gekommen. Während der drei Wochen der Unterschriftensammlung haben sich in der ganzen Stadt sowohl die Unterstützer der G9-Initiative als auch die Anhänger des 2003 eingeführten 8-stufigen Gymnasiums (G8) für eine Verbesserung und Vertiefung der gymnasialen Bildung stark gemacht. Dass das G9-Volksbegehren trotz dieser breiten Forderung nach leistungsstarken Gymnasien nicht auf die erforderliche Zahl von Unterschriften gekommen ist, hat vor allem zwei Ursachen:

Erstens hat Schulsenator Ties Rabe durch seine Presse- und Behördenarbeit die G9-Befürworter in der Hamburger Lehrerschaft und Elternschaft massiv durch Mutmaßungen über angebliche Verzögerungen beim Schulbau und eine angeblich drohende Überforderung der Schulleitungen an den Gymnasien durch organisatorische Fragen im Falle einer Wiedereinführung von G9-Zügen an Gymnasien verunsichert.

Zweitens ist es den Initiatoren des Volksbegehrens nicht gelungen, der falschen Annahme entgegenzuwirken, ein 9-stufiges Gymnasium sei leichter als das 2003 eingeführte 8-stufige Gymnasium. Es ist vor allem diese Fehlvorstellung gewesen, die dazu geführt hat, dass die Unterstützer des G9-Volksbegehrens zwischen die Fronten geraten sind: Auf der einen Seite die kleine, aber lautstarke Gruppe von Anhängern der Gesamtschule bzw. "Schule für alle", die in einem vermeintlichen G9-Gymnasium-Light eine Konkurrenz für bzw. Bedrohung der Gesamtschulform "Stadtteilschule" gesehen haben, auf der anderen Seite der Teil der Elternschaft an den Gymnasien, der bewusst auf den Leistungsgedanken und den Leistungsanspruch der Gymnasien setzt und mit der Wiedereinführung von G9 die Vorstellung einer Nivellierung der Gymnasien verbindet.

Der Verlauf der Kampagne und die Argumente auf beiden Seiten haben deutlich gemacht:

Die G9-Unterstützer haben sich ebenso wie die G8-Befürworter mit ihrem Abstimmungsverhalten für starke Gymnasien ausgesprochen, die sich in ihrem Bildungsauftrag und Leistungsanspruch deutlich von anderen Schulformen unterscheiden. Der Ausgang des Volksbegehrens ist damit nach dem Scheitern des Volksbegehrens "Eine Schule für Alle" im Oktober 2008 und dem erfolgreichen Volksentscheid der Initiative "Wir wollen lernen!" im Juli 2010 ein erneutes klares Votum für ein differenziertes Schulsystem, ein starkes und breites Bekenntnis zur Erhaltung und zum Fortbestand der Gymnasien als eigenständige und leistungsorientierte Schulform und ein starkes Bekenntnis der Hamburger zum differenzierten Schulsystem.

Die Hamburger Gymnasien sind mit diesem klaren Bekenntnis der Hamburgerinnen und Hamburger zum Leistungsgedanken und zum Leistungsanspruch gestärkt aus dem Volksbegehren hervorgegangen. Die Hamburgerinnen und Hamburger stehen zum differenzierten Schulsystem und das ist gut so, für die Schülerinnen und Schüler, für die Zukunft der Bildung in unserer Stadt

Die zweite Stufe des Verfahrens, das sog. "Volksbegehren", bei dem innerhalb einer festen Frist von 21 Tagen die Unterschriften von 1/20 der Hamburger Abstimmungsberechtigten zu sammeln sind, fand vom Donnerstag, den 18. September 2014, bis zum Mittwoch, den 8. Oktober 2014 statt (Amtlicher Anzeiger v. 15.8.2014).

Die Zukunft der G)-Frage in Hamburg wird stark davon abhängen, wie sich die Schullandschaft in den übrigen Bundesländern entwickelt. Niedersachsen führt beispielsweise das G9 unter der gegenwärtigen Rot-Grün-Koaliotion demnächst wieder ein. Andere Bundesländer befinden sich in ähnlichen Prozessen. Grund genug für den folgenden G8/G9-Faktencheck:

Für ein gutes G9 bräuchte es:

  • eine/n andere/n Schulsenator/in und
  • eine gänzlich andere Ausrichtung der Schulpolitik
  • eine Anhebung der Wochenpflichtstundenzahl bis zum Abitur an den Gymnasien von 264 auf 283
  • Bildungspläne, die den Namen verdienen
  • die Wiedereinführung der Möglichkeit des Sitzenbleibens
  • die Wiedereinführung der Durchlässigkeit zwischen den Schulformen in beide Richtungen.

Die aktuelle, insbesondere medial geführte Diskussion entfernt sich jedoch immer mehr von inhaltlichen Fragen. Oft scheint es, als gehe es nur noch darum, die Fehlentscheidung der Schwarz-Grün-Koalition (2008-2011) zu rechtfertigen, das differenzierte Schulsystem mit den in Hamburg starken Realschulzweigen an den früheren H/R-Schulen aufzulösen und durch Gesamtschulen mit dem Etikett "Stadtteilschule" zu ersetzen.

Da die inhaltliche Diskussion der G8/G9-Frage häufig von teils ideologischen, teils schulpolitisch-strategischen Argumenten überlagert wird, möchten wir Ihnen im Rahmen eines „Faktenchecks“ Hintergrundinformationen zu den folgenden Kernpunkten:

1. Historie

2. Schulfrieden

3. "G9 gibt es an den Stadtteilschulen bereits"

4. Gefährdung der Gymnasien?

5. Qualität und Leistung

6. G9 und Ganztag

7. Gefährdung der Schulform Stadtteilschule?

8. Reformbaustelle?

9. Kosten und Räume

10. Fazit

zur Verfügung stellen:

 

1. Historie

Die Verkürzung der Schulzeit an den Hamburger Gymnasien von 9 auf 8 Jahre wurde 2002 von der damaligen Koalition unter Ole von Beust (CDU), Ronald Schill (PRO) und Rudolf Lange (FDP) beschlossen und aufwachsend eingeführt. Der letzte G9-Jahrgang in Hamburg machte im Jahr 2010 als „Doppeljahrgang“ zusammen mit dem ersten G8-Jahrgang das Abitur. Anlass für die politische Entscheidung, das Gymnasium um eine Jahrgangsstufe zu verkürzen, war unter anderem die Vorstellung, man könne durch einen kürzeren Verbleib von Schülern im Schulsystem den Haushalt entlasten (siehe dazu aber unten). Schon 1993 hatten sich bei einem Treffen in Potsdam die Finanzminister der 16 Länder darauf geeinigt, den Ministerpräsidenten den bisher radikalsten Vorschlag zu machen: die bundesweite Abschaffung der 13. Klasse als Bestandteil des 'Föderalen Konsolidierungsprogramms' zur Finanzierung des Solidarpakts (ZEIT ONLINE v. 7.2.2008). Ferner wurde geltend gemacht, jüngere Abiturienten könnten im internationalen Vergleich besser bestehen. Als zusätzlicher Motivationsfaktor für den Hamburger Senat kam noch die Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern über das Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ 2003 – 2007 hinzu, nach der Hamburg zweckgebundene Bundesmittel in Höhe von mehr als 66 Millionen Euro für Investitionsvorhaben zur Weiterentwicklung von Schulen zu Ganztagsschulen abrufen konnte. Die Schulbehörde teilte deshalb im Frühjahr 2003 allen 67 Hamburger Gymnasien mit, dass erhebliche Mittel für den Um- und Ausbau der Schulen zur Verfügung bzw. für den Ausbau von Kantinen zur Verfügung stünden, sofern die Schule den Beschluss fasse, sich in eine gebundene Ganztagsschule umzu­wandeln. Die dafür faktisch erforderlichen Stunden am Nachmittag wurden durch die Umverteilung der Wochenstunden aus dem gekürzten 13. Schuljahr "beschafft". In der Begründung des Entwurfes zur Änderung des Schulgesetzes (Drs. 17/2455) hieß es dazu: "Die Verdichtung der Stundentafel wird ab Klasse 7 eine Verlängerung der Unterrichtszeiten in den Nachmittag hinein erforderlich machen. Mit ersten baulichen und organisatorischen Vorkehrungen – etwa für ein Mittagessensangebot in den Schulen – sind in Planung" (a. a. O., S. 15).

Pädagogische oder inhaltliche Gründe, wie z. B. Fragen der Bildungsqualität, wurden für die Verkürzung der Gymnasialzeit nicht angeführt. Im Gesetzentwurf (Drs. 17/2455) hieß es vielmehr lapidar: "Im internationalen Vergleich sind deutsche Schüler überdurchschnittlich alt, wenn sie mit Studium und Ausbildung beginnen und in das Berufsleben eintreten. Damit Schülerinnen und Schüler in Zukunft ein Jahr eher die allgemeine Hochschulreife erreichen können, wird … das Abitur nach 12 Jahren … am Gymnasium und am Gymnasium der kooperativen Gesamtschule eingeführt" (a. a. O., S. 18). In den folgenden Jahren hinzutretende Faktoren, wie die Verkürzung der Studienzeiten durch die kurzen Bachelor- und Master-Studiengänge auf Grund der sog. Bologna-Reform, die Abschaffung der Wehrpflicht oder die Ersetzung der reformierten Oberstufe mit dem von vielen als "Probejahr" empfundenen "Vorsemester" in Jahrgangsstufe 11 durch die Profiloberstufe, sind bei dieser Entscheidung naturgemäß nicht berücksichtigt worden.

Mit Einführung der von der CDU/GAL-Koalition (2008-2010) beschlossenen Schulform Stadtteilschule, einer Verschmelzung aus den bis dahin bestehenden Haupt- und Realschulen mit den Gesamtschulen, und des sich daraus ergebenden sog. Zwei-Säulen-Modells aus Stadtteilschulen (mit der Möglichkeit eines Abiturs in Jahrgangsstufe 13) und Gymnasien (mit Abitur in Jahrgangsstufe 12), wurde die Argumentation zunehmend von schulpolitisch-strategischen Argumenten überlagert. So wird seither oft argumentiert, die Einführung eines G9-Angebotes an Gymnasien würde die Schulform Stadtteilschule schwächen, weil Eltern, die sich für ihr an sich gymnasialfähiges Kind eine neunjährige Schulzeit bis zum Abitur wünschen, ihr Kind dann nicht mehr auf der Stadtteilschule anmelden würden, sondern auf dem Gymnasium.

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2. Schulfrieden

Es wird oft argumentiert, die Einführung eines G9-Angebotes gefährde den im März 2010 geschlossenen sog. "Schulfrieden". Mit dem Begriff "Schulfrieden" wird auf ein im Vorfeld des Volksentscheids über die damaligen Primarschul-Pläne am 3. März 2010 zwischen den damaligen Bürgerschaftsparteien CDU, SPD und GAL/GRÜNE unterzeichnetes Papier angespielt, das die Überschrift "Vereinbarung zur künftigen Hamburger Schulstruktur" trug und seinerzeit in den Medien zutreffend auch als "Primarschul-Pakt" bezeichnet wurde. Die drei Parteien verpflichteten sich darin, die sich aus dem Volksentscheid am 18. Juli 2010 ergebende Schulstruktur für 10 Jahre nicht anzugreifen (siehe dazu: RTL Nord v. 3. März 2010). Die Vorsitzende der GAL/GRÜNEN erklärte jedoch bereits wenige Tage nach dem Volksentscheid vom 18. Juli 2010, mit dem die Primarschul-Pläne gestoppt werden konnten, dass sich ihre Partei nicht mehr an den "Schulfrieden" gebunden fühle (WELT v. 22. Juli 2010).

Die Einführung eines Wahlrechts zwischen G8 und G9 hätte aber auch unabhängig von der Lossagung der GAL/GRÜNEN vom "Schulfrieden" nach dem Volksentscheid mit jener Vereinbarung zwischen den drei Parteien nichts zu tun und gefährdet diesen "Schulfrieden" auch nicht. Denn die Dauer des Gymnasiums wurde im Primarschul-Pakt vom 3. März 2010 mit keinem Wort erwähnt. Und nebenbei: An dem Papier waren auch nur drei Bürgerschaftsparteien beteiligt, keine sonstigen außerparlamentarischen Gruppen oder Bürger.

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3. "G9 gibt es an den Stadtteilschulen bereits"

Eines der häufigsten Argumente gegen eine Wiedereinführung von 9-stufigen Gymnasien ist die Behauptung, es gebe doch ein "G9" bereits an den Stadtteilschulen, die ein Abitur in Jahrgangsstufe 13 anbieten. Dieses Argument verschleiert jedoch die tatsächliche Unterrichtssituation an den Stadtteilschulen und dient deshalb vor allem dem Zweck, die Fehlentscheidung der Schwarz-Grün-Koalition (2008-2011) zu rechtfertigen, das differenzierte Schulsystem mit den in Hamburg starken Realschulzweigen an den früheren H/R-Schulen aufzulösen und durch Gesamtschulen mit dem Etikett "Stadtteilschule" zu ersetzen.

Fakt ist, dass es in Hamburg nur vereinzelt Stadtteilschulen gibt, die tatsächlich ab Jahrgangsstufe 7 einen eigenständigen Gymnasialzweig anbieten. Die Mehrzahl der Schulleitungen an den Stadtteilschulen sieht mit Duldung der Schulbehörde von einer echten differenzierten Förderung der Schülerinnen und Schüler in abschlussbezogenen Klassen und Kursen in der Mittelstufe, d. h. in den Jahrgangsstufen 7 bis 10, weitgehend ab. Ein gymnasialer Unterricht findet in diesen Stadtteilschulen erst ab Jahrgangsstufe 11 in der "gymnasialen" Oberstufe statt. Man könnte also bestenfalls davon sprechen, dass es an den Stadtteilschulen ein "S6+G3" oder ein "S9" gebe.

Weiterführende Informationen hierzu finden Sie unter: S9 an Stadtteilschulen ist kein G9

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4. Gefährdung der Gymnasien?

Es wird gerne argumentiert, die Einführung eines G9-Angebotes gefährde die Gymnasien, da sich Eltern von Kindern, die möglicherweise nicht gymnasialfähig seien, veranlasst sehen könnten, es mit einer Anmeldung ihres Kindes in einem G9-Angebot zunächst zu versuchen. Allerdings: Wenn etwas die Gymnasien bedroht, ist es die Politik der kleinen Schritte, mit denen gegenwärtig die Gymnasien von innen heraus geschwächt werden, wie z. B. durch:

- Kompetenzorientierung statt Wissen

- Aufweichen der Bildungspläne

- Abschaffen des Sitzenbleibens

- Abschaffen bzw. Reduzieren von Noten

- Abschotten der Schulformen statt Durchlässigkeit mit der Möglichkeit der Umschulung bei großen Lernrückständen

- Begrenzung der Hausaufgaben an Gymnasien.

Die Einführung eines G9-Angebotes könnte – unter einem anderen Schulsenator und bei anderen politischen Machtverhältnissen – eine Rückkehr ("Reform") des Gymnasiums zu einer wirklich an Qualität, Exzellenz und Bildung orientierten Schulform und damit eine Renaissance des Bewährten:

WELT v. 4.3.2013: Zeit für eine Renaissance des Bewährten (Gastkommentar)

erleichtern. Denn das G8 in seiner komprimierten Form ist qualitativ, was die Tiefe des vermittelten Wissens betrifft, auf Grund der verkürzten Zeit für Hausaufgaben, Referate und die Tiefe der damit verbundenen Zeit für Wiederholung und Übung des Erlernten mit dem früheren G9 nur schwer zu vergleichen. So beträgt die Wochenpflichtstundenzahl bis zum Abitur an den Gymnasien nur 264, während die Schülerinnen und Schüler an den Stadtteilschulen bis zu einem Abitur in Jahrgangsstufe 13 insgesamt 283 Wochenpflichtstunden Unterricht erhalten (Senatsantwort Drs. 20/5353).

Aber: Die Einführung einer Wahlmöglichkeit zwischen G8 und G9 führt nicht automatisch zu inhaltlichen Verbesserungen, sondern würde zunächst einmal nur eine Verlängerung des G8 in seiner gegenwärtigen Form mit einer gewissen Entspannung der Wochenstunden-Verteilung durch das zusätzliche Jahr bedeuten. Ein schlechtes, nur "kompetenzorientiertes" G9 mit nur "kompetenzorientierten" Bildungsplänen ist deshalb nicht besser als ein nur "kompetenzorientiertes" G8 und allemal schlechter als ein an Fachlichkeit, Leistung und Exzellenz ausgerichtetes G9 oder G8. Nur: Letzteres ist in der gegenwärtigen schulpolitischen Landschaft nicht das Leitbild der verantwortlichen Handlungsträger in der Schulbehörde. Mehr Bildungstiefe ließe sich in einem G9 beispielsweise durch eine Erhöhung der Wochenpflichtstundenzahl auf 283 erzielen. Letzteres dürfte indes, da mit zusätzlichen Kosten verbunden, politisch derzeit nicht durchsetzbar sein (und gehört auch nicht zum Forderungskatalog der G9-Initiative).

Größte Zurückhaltung ist deshalb auch gegenüber allen Maßnahmen angebracht, die in der aktuellen Diskussion als angebliche, weitere "Entlastung" der Schülerinnen und Schüler an den Gymnasien vorgeschlagen werden (in der Regel aus der Richtung von Anhängern einer "Schule für alle"; dazu sogleich). Denn Maßnahmen wie eine angebliche "Entschlackung" von Bildungsplänen oder Reduzierung von Hausarbeiten oder Klausuren laufen im Kern auf nichts anderes als eine weitere Realschulifizierung der Gymnasien hinaus. Schon heute wird mit "kompetenzorientierten" Unterricht den Gymnasiasten zwar noch ein "kompetenzorientiertes" Abitur ausgehändigt. Eine echte "Allgemeine Hochschulreife" im Sinne einer allgemeinen Studierfähigkeit in allen Fachbereichen ist damit aber kaum noch verbunden. So überrascht es nicht, dass nach der Verkürzung des Hamburger Gymnasiums von 9 auf 8 Jahre der Präsident der Universität Hamburg, Dieter Lenzen, bereits öffentlich darüber spricht, ein Vorbereitungsjahr an der Universität einzuführen:

NDR Hamburg Journal v. 5.4.2013: Halbzeit für Uni-Präsident Dieter Lenzen

Wichtig: Eine reale Bedrohung der Schulform Gymnasium besteht in jedem Fall insoweit, als die Anhänger der Idee einer "Schule für alle" (GEW, GRÜNE, LINKE, Teile der SPD) die Einführung von G9-Angeboten voraussichtlich nutzen werden, um über weitere Angleichungen der Schulformen Gymnasium und Stadtteilschule mit dem Ziel einer "Schule für alle" nachzudenken. Aktuelles Beispiel ist ein Antrag der GRÜNEN, Oberstufenkooperationen und -zentren zwischen Stadtteilschulen und Gymnasien zu fördern. Auch im Bericht der Enquete-Kommission haben die Abgeordneten der SPD und der GAL/GRÜNE ausdrücklich votiert: „Ziel ist eine Schule für alle“ (a. a. O., S. 84):

Drs. 18/6000 v. 16.3.2007: Bericht der Enquete-Kommission – Votum SPD und GAL

Die eigentliche Gefährdung des Gymnasiums geht deshalb vom derzeit regierenden SPD-Senat und Schulsenator Ties Rabe aus. Rabe hat sich bereits im Februar 2009 offen zur Auflösung der Gymnasien und Einführung der Einheitsschule in Hamburg bekannt. Wer die damaligen Äußerungen von Ties Rabe liest, erkennt darin sehr schnell einen Großteil der Maßnahmen wieder, die Rabe seit seinem Amtsantritt als Schulsenator im Frühjahr 2011 umgesetzt hat:

Auszug: Längeres gemeinsames Lernen erreichen wir nicht mit der Brechstange. Das zeigt die behutsame Einführung von Gemeinschaftsschulen in Schweden. Wir wollen in einem ersten Schritt die Haupt-, Real- und Gesamtschulen zusammen mit den verkürzten Gymnasien zur Stadtteilschule zusammenführen. Und wir wollen diese neue Stadtteilschule zu der Schulform Hamburgs entwickeln. Gymnasien können nach Zustimmung der Eltern direkt in die Stadtteilschule einbezogen werden. Die anderen Gymnasien sollen durch innere Schulentwicklung (individualisierter Unterricht, Fördern statt Abschulen) weiterentwickelt werden. Über Kooperationen sollen beide Schulformen Schritt für Schritt zusammengeführt werden.“ (Hervorhebungen WWL)

tiesrabe.de v. 11.2.2009: Längeres gemeinsames Lernen erreichen wir nicht mit der Brechstange

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5. Qualität und Leistung

Ein direkter Qualitäts- und Leistungsvergleich zwischen G9 (bis 2010) und G8 ist kaum möglich, da zwischenzeitlich zusätzlich die Profiloberstufe eingeführt wurde und von Schulsenator Rabe seit seinem Amtsantritt in 2011 die Bildungspläne und Prüfungsaufgaben auf eine bloße "Kompetenzorientierung" umgestellt worden sind. Im Vergleich zwischen der Längsschnittstudie LAU 13 (2005) und KESS 12 haben die Schülerinnen und Schüler des Abiturjahrgangs im G8 jedoch ungeachtet der irreführenden Pressemitteilungen des Schulsenators deutliche Defizite gegenüber ihren Vorgängerinnen und Vorgängern im G9 gezeigt:

WWL-Info-Mail v. 27.11.2012: G8 scheitert in Hamburg: aktuelle Längsschnittstudie KESS 12 belegt Misserfolg trotz Profiloberstufe

Fakt ist: Die irreführenden Pressemeldungen von Schulsenator Rabe über angeblich bessere Leistungen im G8 basieren lediglich auf wissenschaftlich nicht validen (die Aufgaben werden nicht veröffentlicht, was jeglichem wissenschaftlichen Standard widerspricht) "Kompetenz"-Erhebungen:

WWL-Info-Mail v. 21.10.2013: Abiturvergleich: KESS-12-Studienleiter Vieluf fällt Senator Rabe in den Rücken

WWL-Info-Mail v. 17.10.2013: „G8“-Turbo-Abi-Light: Senator Rabe hat Hamburg über Ergebnisse des G8/G9-Vergleichs getäuscht

WWL-Info-Mail v. 16.10.2013: Hamburgs wundersame Abiturientenvermehrung… – und jetzt noch das "Rabe-Abitur-Light" 2014

Professor zerpflückt Turbo-Abi-Studie – BILD Hamburg v. 17.10.2013

Hamburgs wundersame Abiturientenvermehrung – FAZ v. 11.10.2013

Insoweit gilt auch und gerade zur Qualität: Die Einführung einer Wahlmöglichkeit zwischen G8 und G9 führt nicht automatisch zu inhaltlichen Verbesserungen, sondern bedeutet zunächst einmal nur eine Verlängerung des G8 in seiner gegenwärtigen Form mit einer gewissen Entspannung der Wochenstunden-Verteilung durch das zusätzliche Jahr. Ein schlechtes, nur "kompetenzorientiertes" G9 mit nur "kompetenzorientierten" Bildungsplänen ist deshalb nicht besser als ein nur "kompetenzorientiertes" G8 und allemal schlechter als ein an Fachlichkeit, Leistung und Exzellenz ausgerichtetes G9 oder G8.

So lange ein G9 im Vergleich mit dem gegenwärtigen G8 nicht auch mit zusätzlichen Stunden ausgestattet würde (was zusätzliche Ressourcen erfordern würde), würde das Potential für qualitative Verbesserungen in einem Mehr an Zeit am Nachmittag für Wiederholungen, Hausaufgaben und Vertiefungen des Unterrichtsstoffs liegen. Gleichzeitig würde die Verantwortung für die angestrebte Vertiefung von Bildung und Wissen zu einem nicht unerheblichen Teil von der Schule auf die Familien und Elternhäuser verlagert. 

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6. G9 und Ganztag

Die Einführung von G9-Zügen in den gegenwärtigen G8-Gymnasien und/oder von G9-Gymnasien würde bei gleichbleibender Gesamtstundenzahl (derzeit 264 Wochenpflichtstunden Unterricht bis zum Abitur an den Gymnasien) wegen der damit verbundenen Streckung der Stundentafeln auf 9 statt bisher 8 Jahrgangsstufen weniger Ganztags- bzw. Nachmittagsunterricht und -betreuung bedeuten, und zwar rechnerisch bereits ab Klasse 5. Gleichzeitig ginge damit bei Ganztagsschulen aber auch ein größerer Spielraum für die Verteilung von Unterrichtsstunden und sonstigen Angeboten einher. Für die Schülerinnen und Schüler in der sog. GBS-Betreuung, die bis zum 14. Lebensjahr angeboten wird, würde das etwa 4 Jahre in einem nachmittäglichen Betreuungssystem in den Schulräumen bedeuten.

Die Wochenpflichtstundenzahl bis zum Abitur beträgt an den Gymnasien derzeit 264 (bei 8 Jahrgangsstufen also durchschnittlich 33 Wochenpflichtstunden pro Jahrgangsstufe) im Vergleich zu 283 Wochenpflichtstunden an den Stadtteilschulen. Eine Anpassung der Wochenpflichtstundenzahl an den Gymnasien (die allerdings nicht Gegenstand der Forderungen der Initiative "G9-Jetzt-HH" ist) auf 283 Wochenpflichtstunden bis zum Abitur in Jahrgangsstufe 13 würde eine durchschnittliche Zahl von Wochenpflichtstunden von 31,44 pro Jahrgangsstufe (Senatsantwort Drs. 20/5353). Eine Verteilung der gegenwärtigen 264 Wochenpflichtstunden an den G8-Gymnasien auf 9 Jahrgangsstufen würde zu durchschnittlich nur noch 29,33 Wochenpflichtstunden pro Jahrgangstufe führen.

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7. Gefährdung der Schulform Stadtteilschule?

Es wird oft argumentiert, die Einführung von G9-Angeboten an Gymnasien gefährde den Erfolg der Schulform Stadtteilschule, da Eltern, die sich für ihr an sich gymnasialfähiges Kind eine neunjährige Schulzeit bis zum Abitur wünschen, ihr Kind dann nicht mehr auf der Stadtteilschule (mit dem Abiturangebot in Jahrgangsstufe 13) anmelden würden, sondern auf dem Gymnasium. Den Stadtteilschulen würden so gymnasialfähige Schülerinnen und Schüler entzogen.

Gegen dieses Argument sprechen allerdings die tatsächlichen Anmeldezahlen. Denn die Stadtteilschulen werden erkennbar in erster Linie als Schulen angewählt, die den Haupt- und den Realschulabschluss anbieten, und nicht wegen der Möglichkeit, dort nach 9 Jahren das Abitur machen zu können: Die mit der Drs. 20/6956 veröffentlichte Senatsantwort auf eine schriftliche kleine Anfrage zur Anmelderunde 2013 bestätigt, dass nur 9 Prozent aller Kinder mit Gymnasialempfehlung an Stadtteilschulen angemeldet wurden und 91 Prozent aufs Gymnasium gehen. Selbst die von Anhängern der Reformpädagogik als "Leuchtturm-Schule" gelobte Max-Brauer-Stadtteilschule hat nur einen Anteil von 36 Prozent Gymnasialempfohlenen. Dagegen wollen 79 Prozent der Schülerinnen und Schüler ohne Gymnasialempfehlung eine Stadtteilschule besuchen, aber nur 21 Prozent das Gymnasium. Mit einem statistisch signifikanten "Ansturm" auf die Gymnasien ist also bei einer Rückkehr zum G9 im Vergleich zur gegenwärtigen Situation nicht zu rechnen.

Der Rückgang der Anmeldezahlen an den Stadtteilschulen hat in erster Linie politische Gründe, die ihre Ursache in der mangelhaften strukturellen (z. B. unzureichende Differenzierung, weitgehende Abschaffung von Noten und Klassenwiederholen), sowie unzureichenden personellen und sachlichen Ausstattung mit Blick auf das 2009 in § 12 SchulG eingeführte Wahlrecht auf "Inklusion" betreffen, die ihrerseits wiederum ihren Ursprung in der These zu haben scheinen, man könne aus der Schulform Stadtteilschule eine Schulform entwickeln, die ein "Abitur für fast alle" bietet:

BILD v. 17.2.2014: „Darum gehen wir lieber aufs Gymnasium“

Dabei sind die Schulen, die derzeit das politische Modell einer Stadtteilschule à la Rabe umsetzen müssen, an sich hervorragende Schulen: Hochmotivierte, fachlich hervorragend qualifizierte Lehrkräfte und Schulgebäude, die dank der politisch gewollten Förderung seit Jahren finanziell deutlich besser ausgestattet wurden, als die Gymnasien, könnten den Hamburger Schülerinnen und Schülern etwas anbieten, was bundesweit seinesgleichen sucht – vorausgesetzt, die aufgezeigten rein politisch und behördlicherseits verantworteten Mängel, Systemfehler und Defizite würden abgestellt. Es ist das Verdienst der Verhandlungsgruppe von "Wir wollen lernen!", dass sie in den Verhandlungen zur Korrektur des Schulgesetzes nach dem Volksentscheid vom 18.7.2010 durchsetzen konnte, dass die unterschiedlichen Bildungsaufträge der Stadtteilschulen und Gymnasien in den §§ 15 Abs. 2, 17 Abs. 2 SchulG wieder klargestellt wurden: Das Gymnasium mit dem Ziel der Allgemeinen Hochschulreife (Abitur) und die Stadtteilschulen mit dem Ziel des Hauptschul- und Realschulabschlusses sowie der Möglichkeit des Abiturs. Senator Rabe ist deshalb aufgefordert, endlich dafür zu sorgen, dass die Eltern die Stadtteilschulen als ernsthaftes und qualitativ solides Schulangebot wahrnehmen können. Die folgenden zentralen Maßnahmen sind dafür längst überfällig:

+ Förderung der Schüler in guter äußerer Differenzierung, d. h. in abschlussbezogenen (Haupt- bzw. Realschulabschluss, Abitur) Klassen und Kursen, im Idealfall durch echte Haupt- bzw. Realschul- sowie gymnasiale Zweige

+ Wiedereinführung von durchgängigen Noten

+ Wiedereinführung des Klassenwiederholens

+ Wiedereinführung von wissens- und leistungsbezogenen (statt nur „kompetenzorientierten“) Bildungsplänen

+ bessere personelle Ausstattung der Inklusionsklassen und Unterstützung sowie Bewerbung der sonderpaedagogischen Angebote in Sonder- und Förderschulen

Auch das Argument, "G9" gebe es doch in den Stadtteilschulen, ist vor diesem Hintergrund so lange abwegig, wie in den Stadtteilschulen nicht eine effiziente äußere Differenzierung eingeführt ist und die Stadtteilschüler (früher Gesamtschüler) bis Klasse 10 gegenüber den Gymnasiasten in Klasse 10 Lernrückständen den Kernfächern anhäufen:

WELT v. 13.1.2006: Schlechtes Zeugnis für Gesamtschulen

Das Angebot einer insgesamt neunjährigen Schulzeit an den Stadtteilschulen von Jahrgangsstufe 5 bis Jahrgangsstufe 13 ist deshalb auch kein G9: Mehr dazu unter: S9 an Stadtteilschulen ist kein G9  

Die Stadtteilschule ist im Übrigen auch nicht eingeführt worden, um ein Hamburger "Abitur für alle" einzuführen. Der Bildungsauftrag der Stadtteilschulen ist in erster Linie, gute Haupt- und Realschulabschlüsse zu vermitteln und die Schulabbrecherquote weiter zu senken. Das Abitur an der Stadtteilschule ist nicht der Regelfall für alle Stadtteilschüler, sondern nur eine Möglichkeit. Der Erfolg der Stadtteilschule ist deshalb nicht an der Zahl dortiger Abiturienten zu messen, sondern daran, ob die Stadtteilschule es schafft, gute Haupt- und Realschulabschlüsse zu vermitteln und die Schulabbrecherquote weiter zu senken. 

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8. Reformbaustelle?

Das vor allem von Schulsenator Ties Rabe angeführte Argument, die bloße Einführung zusätzlicher G9-Züge in den Gymnasien, also eines Nebeneinanders von G8- und G9-Zügen innerhalb eines Gymnasiums, wie es sie auch bis 2010 in vielen Gymnasien mit den sog. "Springerklassen" gab, führe zu einer großen "Reformbaustelle", ist möglicherweise übertrieben. Valide Zahlen oder Prognosen über mögliche Anmelde- und Aufnahmezahlen in G9-Zügen an den Gymnasien gibt es nicht. Natürlich müssen für Gymnasien, die G8- und G9-Züge anbieten, hinsichtlich der Kursbildung, z. B. in den Wahlfächern, auch räumliche Lösungen gefunden werden. Solche Herausforderungen gehören aber zum Alltag der Schulleitungen und Stufenkoordinatoren unserer Gymnasien und sollten lösbar sein.

Eine Wiedereinführung von G9-Gymnasien oder G9-Zügen an einzelnen Gymnasien als "aufwachsende" Lösung, also z. B. beginnend mit der Jahrgangsstufe 5 ab dem Schuljahr 2015/16, wäre organisatorisch verhältnismäßig leicht umzusetzen. Die Initiatoren des Volksbegehrens "G9-Jetzt-HH" haben deshalb wegen der Kritik an dem ursprünglich geforderten Wahlrecht für alle Eltern aller Jahrgangsstufen in den gegenwärtig achtstufigen Gymnasien, also aus dem "laufenden Betrieb" heraus, ihre Vorlagefrage für das Volksbegehren überarbeitet. Das Volksbegehren ist jetzt nur noch auf eine aufwachsende Wiedereinführung des G9 gerichtet und lautet:

„Ich fordere die Bürgerschaft und den Senat der Freien und Hansestadt Hamburg auf, das 9-jährige Gymnasium unverzüglich wieder einzuführen, mit Wahlrecht zwischen der 8-jährigen Schulzeit mit Abitur in  Klasse 12 (G8) und der 9-jährigen Schulzeit mit Abitur in Klasse 13 (G9) für alle Eltern an allen Gymnasien. Die Entscheidung treffen die Eltern bei der Anmeldung zur Klasse 5.

Als einmalige Übergangsregelung ist Schülerinnen und Schülern, die im Zeitpunkt der Wiedereinführung des 9-jährigen Gymnasiums für die 5. Klasse am Gymnasium angemeldet sind, oder die in den Klassen 5, 6 und 7 im G8 lernen, der Wechsel in das G9 zu ermöglichen.“

(Quelle: Amtlicher Anzeiger v. 15.8.2014)

Für die Raumfrage müssen die konkreten Gymnasien betrachtet werden, wie das folgende Rechenbeispiel verdeutlicht: Ein Gymnasium mit 4 Zügen und einer Einschulungs-Frequenz von je 25 Schülerinnen und Schülern pro Klasse, d. h. 4 x 25 = 100 Schülerinnen und Schülern pro Jahrgangsstufe hat im gegenwärtigen G8 insgesamt 800 Schülerinnen und Schüler. Werden 2 oder 3 Züge als G9 geführt, wird das Gymnasium insgesamt 50 bzw. 75 Schülerinnen mehr haben. Der zusätzliche Raumbedarf beträgt also rund 3-4 Klassen- bzw. Fachräume. Gleichzeitig ergibt sich hinsichtlich der konkreten Nutzung z. B. von Fachräumen wegen der etwas geringeren Wochenstundenzahl der G9-Züge eine gewisse Entlastung für die Raumverteilung.

Die Bildungspläne des G8 sind derzeit jedenfalls ohnehin nur noch "kompetenzorientiert" und damit butterweich, so dass das Erstellen der Curriculae keine Schwierigkeiten bereiten wird. Die G9-Bildungspläne liegen außerdem noch in den Schulen und in der Behörde vor. Außerdem haben ca. 70-80 Prozent der Gymnasiallehrer viele Jahre ihrer Berufszeit im G9 unterrichtet (das ja erst 2010 ausgelaufen ist) und damit jahrelange eigene Berufserfahrung im G9.

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9. Kosten und Räume

Zusätzliche Kosten sind bei der Einführung des Wahlrechts zwischen G8 und G9 nicht zu erwarten, da sich die Gesamtzahl der zu erteilenden Unterrichtsstunden durch die Ermöglichung des G9 voraussichtlich (siehe oben) nicht ändern, sondern die Unterrichtsstunden nur anders verteilt werden würden. Eine andere Ausgangssituation ergäbe sich, fall mit der Einführung von G9-Zügen auch die Zahl der Wochenpflichtstunden bis zum Abitur von derzeit 264 auf 283 angepasst werden würde (was allerdings nicht Bestandteil der Forderungen der G9-Initiative ist; siehe oben).

Nach einer aktuellen Senatsantwort auf eine Schriftliche Kleine Anfrage des schulpolitischen Sprechers der SPD sollen sich auf Grund insgesamt gestiegener Anmeldezahlen an den Gymnasien die Kosten für räumliche Zubauten zwischen 30 und 81 Millionen Euro bewegen (Drs. 20/11342).

Hamburger Abendblatt v. 15.4.2014: Das G9-Abi gibt es nicht zum Nulltarif (Kommentar)

Hamburger Abendblatt v. 15.4.2014: Senat warnt vor 81 Millionen Euro Mehrkosten bei G9

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10. Fazit

Die Einführung einer Wahlmöglichkeit zwischen G8 und G9 führt nicht automatisch zu inhaltlichen Verbesserungen, sondern bedeutet zunächst einmal nur eine Verlängerung der gymnasialen Schulzeit mit einer gewissen Entspannung der Wochenstunden-Verteilung durch das zusätzliche Jahr. Ein schlechtes, nur "kompetenzorientiertes" G9 mit nur "kompetenzorientierten" Bildungsplänen ist aber nicht besser als ein nur "kompetenzorientiertes" G8 und allemal schlechter als ein an Fachlichkeit, Leistung und Exzellenz ausgerichtetes G9 oder G8. Der klare Auftrag an die Bildungspolitik lautet deshalb:

Das Gymnasium muss in seinem Bildungs- und Leistungsanspruch bewahrt werden. Die schulpolitischen Bestrebungen, das Niveau der Hamburger Gymnasien schleichend und von innen heraus über eine Reduzierung der Anforderungen durch nur noch "kompetenzorientierte" Bildungspläne, Abschaffen des Klassenwiederholens, Abschaffen der Möglichkeit des Abschulens überforderter Schüler zwischen Jahrgangsstufe 7 und 10, Reduzierung der Abituranforderungen auf nur noch "kompetenzorientierte" Aufgaben und das von Schulsenator Rabe zu verantwortende Abschaffen der regelhaften, neutralen Zweitbegutachtung der Abiturprüfungsarbeiten gefährden das Niveau der Gymnasien. Ein derart realschulifiziertes Gymnasium würde als "Gymnasium für alle" letztlich nur ein Zwischenschritt zur Durchsetzung der Einheitsschule, der sich die Parteien SPD, LINKE und GRÜNE verschreiben haben.

Ein G9 muss deshalb ein inhaltlich und hinsichtlich der Leistungsanforderungen anspruchsvolles Gymnasium sein, wenn es besser sein soll, als das gegenwärtige G8. Die Verlängerung der dafür insgesamt zur Verfügung stehenden gymnasialen Schulzeit bietet dafür eine Chance, aber – je nach schulpolitischem und gesellschaftsideologischem Leitbild der verantwortlichen Entscheidungsträger in Senat und Schulbehörde – keine Garantie. Die Wiedereinführung des G9 wäre damit zugleich ein entsprechender Auftrag an die Entscheidungsträger, sicherzustellen, dass Hamburger Gymnasien anspruchsvolle Gymnasien sind, die von Anfang an und mit hohem Bildungs- und Leistungsanspruch auf das Ziel hin arbeiten, ihren Schülerinnen und Schülern eine vertiefte allgemeine Bildung (§ 16 SchulG) und eine echte allgemeine Hochschulreife zu vermitteln.

Die Einführung eines Wahlrechts zwischen G8- und G9-Gymnasien oder -Zügen innerhalb der Hamburger Gymnasien birgt angesichts der politischen Ausgangslage auch Risiken. Denn solange Schulsenator Rabe oder andere Vertreter seiner schulpolitischen Ausrichtung mit dem Hang zur "Schule für alle" in der Behörde das Sagen haben, solange besteht die Gefahr, dass ein G9 als Vehikel zu Kooperationen mit Stadtteilschulen, weiterer Nivellierung der Leistungsanforderungen und langfristig zur Auflösung von Gymnasien missbraucht wird.

Für ein gutes G9 bräuchte es:

  • eine/n andere/n Schulsenator/in und
  • eine gänzlich andere Ausrichtung der Schulpolitik
  • eine Anhebung der Wochenpflichtstundenzahl bis zum Abitur an den Gymnasien von 264 auf 283
  • Bildungspläne, die den Namen verdienen
  • die Wiedereinführung der Möglichkeit des Sitzenbleibens
  • die Wiedereinführung der Durchlässigkeit zwischen den Schulformen in beide Richtungen.

 

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